Triken – die schönste Art zu Reisen
……. oder warum es so schwer fällt, dem Gravitationsfeld des Heimatflugplatzes zu entkommen.
Ein paar Gedanken zum Triken von Wolfgang Pichl
Ganz Deutschland ist fliegerisch in der Hand von Drehflüglern und Kunststoff-ULs. Vereinzelt warten Trikes in einer staubigen Hangarecke auf ihre Kompostierung. Nur selten, und auch das nur in ruhigen Morgen- oder Abendstunden, werden sie von ihren greisen Besitzern noch für ein paar Minuten ihrem natürlichen Lebensraum, der Luft, übergeben. Man könnte denken, sie schämten sich, aber wahrscheinlich ist es die Langeweile, zum 1000sten mal die gleiche Runde bei gleichem Wetter entlang zu ötteln und den Traum vom Afrika-Flug zu träumen, der sich bei der ersten Konfrontation mit einem Thermikbläschen oder der Sichtung eines etwas grimmigeren Wölkchens, sofort in Panik verwandelt. Die Jugend, die an ihren Smartphones hängt wie ein Junky an der Nadel zeigt, wenig Interesse am Triken, da man das nicht online machen kann. Auch die Sicht durch ein fliegenverdrecktes Helmvisier erfüllt nicht die Minimalanforderungen, die man an eine zeitgemäße Action-Game-Grafik stellen darf. Replay- und Pausenfunktion fehlen gänzlich und mit zwei Daumen hätte selbst Arnie Schwarzenegger in Hochform Probleme gehabt ein Trike zu steuern. Das war’s also mit dem großen Traum der Freiheit. Die Idee, alle Schranken und Hindernisse in der 3. Dimension überbrücken zu können scheitert an der Unfähigkeit, einen Flugplan nach Frankreich aufzugeben oder eine italienische ICAO-Karte zu dechiffrieren.
Am Fliegerstammtisch zeigt sich ein erstaunlich großes Verlangen, vor allem in den Wintermonaten, auch größere Ausflüge zu unternehmen. Einen konkreten Termin dafür festzulegen stellt uns aber vor eine erstaunliche Vielzahl von Hürden. Neben dem Wetter, das vorsätzlich solche Planungen zu sabotieren pflegt, sind unaufschiebbare Gartenarbeiten neben überraschenden Todesfällen, Hochzeiten und Erkältungskrankheiten von Kindern, die im entscheidenden Moment auch den Piloten befallen, abgelaufenen Rettungsgeräten und Pilotenlizenzen, fehlende Ersatzteile sowie defekte Headsets oder/und Funkgeräte, nur eine unvollständige Aufzählung von Hindernissen die es vor einem Streckenflug zu bewältigen gilt. Menschliche Faktoren wie »… wenn der mitkommt, dann will ich nicht …«,
»… warum ausgerechnet da hin? …«, verurteilen den demokratischen Reiseplanungsprozess einer Gruppe sowieso zum Scheitern. Was ist es also, was es so schwer macht, dem Gravitationsfeld unseres Heimatflugplatzes zu entfliehen? Als Ursache wird schnell das Material identifiziert und ein Aufrüstungsprozess setzt sich in Gang. Ein »Zweitakter« ist für längere Strecken zu unzuverlässig und gefräßig, so muss was mit 912er Rotax her. Die Investition verschlingt erst mal das Reisebudget für die nächsten Schönwetterperioden. Jetzt wird es klar, dass der fehlende Komfort eines geschlossenen Cockpits die Reiselust verhindert hat.
Auch die Lebensabschnittsgefährtin wird sich in der beheizbaren Cockpitgeborgenheit eines 3-Achsers dann endlich vom Flugsport begeistern lassen. Ein Teufelskreis beginnt sich zu drehen, an dessen Ende dann eine Fascination oder gar eine Mooney steht, oft ist es auch ein Tragschrauber, da es für einen richtigen Hubi einfach nicht reicht.
Der Freiheit ist man aber so fern wie nie, da man jetzt zur beruflichen Kariere gezwungen ist, um die finanziellen Ressourcen für den flugtechnischen Freiheitstraum zu schaffen. Zwischen zwei Meetings oder nachts beim Fernsehen denken wir an den 3-wöchigen Zelturlaub mit der 50er Hercules in Jugoslawien, der incl. Sprit nicht mehr als 270 DM gekostet hat, da das Cateringproblem durch die Mitnahme einer ausreichenden Menge von Packerlsuppen gelöst wurde. Ich habe schon einzelne Abende verbracht die teurer waren, aber keinen, der deswegen schöner war. Mit Motorrad und Zelt haben wir so ganz Europa erkundet und später, als das Drachenfliegen den Mittelpunkt unserer Aktivitäten bildete, war es ein 13 Jahre alter Opel C-Kadett dessen Karosserie von 3 – 4 Drachen in bußgeldträchtiger Weise überragt wurde, mit dem wir Europas Thermikparadiese erkundeten. Im Kofferraum Schlafsack, Zelt und der schwer beherrschbare Benzinkocher. Obwohl wir studiumsbedingt im finanziellen Vakuum agieren mussten war es eine geile Zeit.
Spaß, Freiheit und Abenteuer sind nicht käuflich. Man muss was dafür tun. Ein Problem beim Drachenfliegen konnte nie zufriedenstellend gelöst werden: Die Fahrten zum Fluggebiet im Bürgerkäfig. Wie man spätestens nach der Lektüre von »ZEN oder die Kunst ein Motorrad zu warten« weiß, ist das Autofahren, und hier glaube ich kann man die Erkenntnisse auf geschlossene Flugzeuge ausweiten, nichts anderes als die Fortsetzung von Fernsehen. Abgekapselt von der Außenwelt sitzt man auf einem Sessel in seiner eigenen, wohltemperierten Atmosphäre und betrachtet die Umwelt durch einen Fensterrahmen ohne befürchten zu müssen, dass sie einem zu nahe kommt. Das Trike kommt dem Traum vom Fliegen einfach am nächsten. Für mich ist es Motorradfahren, dreidimensional und ohne Polizei. Kein anderes Motorflugzeug bringt einem das Gefühl vom Fliegen so intensiv und direkt nahe wie ein gewichtskraftgesteuertes Trike. Instrumente werden unwichtig da Turbulenzen, Thermik, Geschwindigkeit, Wärme und Kälte direkt als Feedback in Form von Bügeldruck in den Armen und als Wind im Gesicht erlebt werden.
Warum also beladen wir unsere Flieger nicht öfter und ziehen los? Eine unbestimmte Angst von der wir nie reden würden, warnt uns vor dem Unbekannten. Turbulenzen und unvertraute Wetterphänomene wirken in fremdem Terrain wesentlich unkalkulierbarer und bedrohlicher als in vertrauter Gegend. Auch die Folgen eines Motorausfalls erscheinen uns in Platznähe viel besser kontrollierbar als bei einem Überlandflug. Nicht nur einmal hörte ich als Antwort auf einen Mangelhinweis: Ich flieg nicht weit … Die ganze Sache spielt sich also im Kopf ab. Wir suchen das Abenteuer, das nur im Unbekannten gedeihen kann, haben aber Angst, vertraute Wege zu verlassen. Ich gebe Jedem mein Wort, dass jeder Überlandflug eine Bereicherung darstellt und nicht durch ein dutzend Lokalrunden aufgewogen werden kann.
Natürlich wird die Überwindung der Strecke Mühldorf – Norddeich gesellschaftlich kein großes Aufsehen erregen, aber fragt man wer so was auch schon gemacht hat, werden nicht viele aufzeigen können. Haben wir erst einmal zum 350 km-Flug zum Dolmar abgehoben, steigen wir in ein ganz persönliches Abenteuer ein. Nebelbänke werden über-, Kontrollzonen werden umflogen. Läuft der Motor nicht unruhiger als eben noch? Turbulenzen von denen der Wetterbericht nichts wusste werden abgewettert und Landmarken passiert. Wir rasten schließlich die Frequenz Dolmar Info … niemand meldet sich … der Platz kommt in Sicht … Ganz schön steil die Piste … gute Landung herzliche Begrüßung … Sieg über unseren Schweinehund. Dass später im Reisebericht lapidar mit den Worten »toller Flug« dieses Abenteuer nicht annähernd gefühlsauthentisch wiedergegeben wird, ist schade. Sicher, mit dem Transatlantikflug Lindbergs ist das nicht vergleichbar, aber wir denken noch oft und gern an unsere »Heldentat«. Die Zutaten zu unseren persönlichen »Abenteuern« werden auch bald immer raffinierter. Übernachten am Zielort, überfliegen von Staatsgrenzen, anfliegen von Inseln, überqueren der Alpen. Auch das Wetterfenster öffnet sich mit der Zeit immer mehr und spannende Flüge, auch bei tiefer Wolkendecke und gelegentlichen Regenschauern, Turbulenzen und Gegenwind bringen Gesprächsstoff für lange Nächte am Lagerfeuer. Betreutes Fliegen in der Form, dass Mutti mit dem Wohnmobil dem Helden hinterherkutscht und ihm am Zielflugplatz das Bier einschenkt und mit dem Essen auf Papi wartet gibt natürlich erhebliche Abzüge in der B-Note und schmälert im Nachhinein das eigene Erfolgserlebnis erheblich. Darunter fallen auch organisierte Flugreisen wo man im Pulk eine vorgekaute Strecke abfliegt und Einem neben dem Wetterbericht, dem Essen und dem Gepäck auch der Arsch nachgetragen wird. Eindeutig besser ist es wenn man die Survival-Ausrüstung selbst mitführt und seinen Flug selbst organisiert. Fliegt man zu zweit, stimmt das mit der doppelten Freude fast immer.